Vom Umgang mit schwierigen Zeitgenossen

Wieder einmal endet das Meeting ohne Ergebnis. Jeder hat seine Meinung gesagt, Statements abgeben, Positionen verteidigt. Aber herausgekommen im Sinne einer Entscheidung über das weitere Vorgehen ist nichts. Diesen Befund gibt es nach vielen Meetings, auch wenn IT und Fachbereich über die nächsten Features debattieren, die demnächst live geschaltet werden sollen.

Besonders nerv tötend sind in diesen Diskussionen die ewigen Bedenkenträger, die es ja schon immer gewusst haben, dass das so nicht funktioniert, viel länger dauert als geplant und überhaupt unverhältnismäßig teuer wird. „Habe ich doch schon immer gesagt, dass...“ , „Das wird nichts, viel zu....“ – an solchen Sätzen erkennen Sie sie.

Ein anderen häufiger Gast in Meetings sind die Blockierer. In so mancher IT haben sie ihren Platz an strategisch wichtigen Stellen als Programmierer oder Systemadministratoren und zwingen im Zweifel der Organisation ihren Willen auf. „Das geht nicht.“ , „Keine Zeit, wir haben zu tun.“, „Das sind sensible Funktionen/Informationen/Systeme, da kann nur ich etwas ändern.“, sind typische Sätze dieser Gruppe von Mitarbeitern und Kollegen.

Ärgerlich und ohne Entscheidung, kein Fortkommen, so verlässt man Meetings mit diesen Kollegen.

Wie schnell entsteht eine Eigendynamik bei der Bewertung der Kollegen im Gespräch an der Kaffeemaschine oder beim Mittagessen in der Kantine. Spielverderber, Bedenkenträger, Pessimist, Hemmschuh, Geschäftsverhinderer, das sind nur die harmlosen Bezeichnungen. Bis zur völligen Verurteilung ist es dann nicht mehr weit.

 Was tun? Einen Weg um die Kollegen herum gibt es nicht, man muss mit ihnen arbeiten. Natürlich gibt es die üblichen Wege der Eskalation. Abteilungsleiter involvieren, Geschäftsleitung ansprechen etc., alles im Zweifel mit wenig Erfolg. Auch richtiges Reklamieren ist eine sinnvolle Maßnahme. In unserem Tipp des Monats September dreht sich alles um „Richtig reklamieren“ (http://www.sentema.com/news.html).

Leider können wir unseren Gegenüber nicht verändern. Schwierige Zeitgenossen sind meistens unverrückbar und stur. Deren Gerede und Verhalten geht auf die Nerven und an die Nieren. Man beißt sich die Zähne an ihnen aus und stößt sich die Hörner ab. Und doch bewegt sich nichts.

Das einzige, was wir ändern können, worauf wir sozusagen Zugriff haben, das sind wir selbst, unsere Einstellung zum Gegenüber und zum Ereignis. Dabei geht es weniger darum, den sperrigen Kollegen auf einmal in rosarote Watte zu packen. Es geht vielmehr darum, ihre Verhaltensoptionen, die Möglichkeiten zum Reagieren zu erweitern. Es geht darum, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu probieren, wenn die alten Muster offensichtlich nicht erfolgreich sind und wieder handlungsfähig zu werden.

Dazu empfehle ich folgende Übung:

Führen Sie sich einen schwierigen Zeitgenossen, auf den Sie emotional stark reagieren, deutlich vor Augen.

  1. Schreiben Sie auf, welche Eigenschaften Sie an ihm beobachten.
  2. Finden Sie zu jeder Eigenschaft das Gegenteil, den Gegensatz und schreiben Sie das Gefundene neben ihre Beobachtung. Ist Ihr Gegenüber also besserwisserisch, arrogant und sperrig, notieren Sie dazu z.B. offen für Einwände, kooperativ und flexibel.
  3. Sehen Sie sich die Liste der gegenteiligen Eigenschaften an. Was wäre das für ein Mensch?

Mit diesen Eigenschaften würden Sie Ihren schwierigen Zeitgenossen sicherlich sympathisch finden. Als Arbeitgeber würden Sie ihn vermutlich sofort einstellen wollen. Stellen Sie sich das Gegenteil vor, dann haben Sie eine weitere Grundlage, auf deren Basis Sie Ihr Verhalten ausrichten können. Wenn Sie also Ihr Gegenüber einmal im Gegenteil-Modus betrachten, haben Sie die Chance, ganz anders mit ihm oder ihr umzugehen. Das erhöht Ihre Handlungsoptionen um 100 %.

Wir sehen als Menschen immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit und können nicht objektiv sein. So ist es gut möglich, dass unser schwieriger Kollege in einem anderen Kontakt ein kompetenter, hilfsbereiter und offener Mensch ist. Nur konnte diese Seite an ihm bisher noch nicht in Erscheinung treten. Es könnte ja sein, dass Ihr unangenehmer Zeitgenosse auch angenehme Seiten hat.

Sie sind jetzt aber nicht aufgefordert, alles positiv zu sehen oder womöglich mit einer rosaroten Brille rumzulaufen. Sie können sich auch das Gegenteil von guten Wünschen vorstellen, z.B. wenn man sich zum neuen Jahr Glück, Freude und alles Gute wünscht. Stellen Sie sich aber vor, es könnte auch Unglück, Leid und schlechte Zeiten im neuen Jahr erscheinen. Sie werden dann vermutlich achtsamer und aufmerksamer sein, die guten Wünsche auch wahr werden zu lassen.

Sich dem Gegenteil von dem, was ist,  in verfahrenen Situationen bewusst zu werden, das verändert die Perspektive. Wenn Ihnen das nächste Mal ein unangenehmer Zeitgenosse begegnet, stellen Sie sich das Gegenteil vor von dem, was Sie beobachten und dann erst handeln Sie. Sie werden bemerken, dass das Gespräch mit ihm leichter wird – und die Wahrscheinlichkeit auf Ergebnisse in Ihrem Sinne steigt.

Schreiben Sie uns, was Sie erleben, wenn Sie die Perspektive verändern. Hat es geklappt? Welche Reaktionen hat es gegeben?
Wir sind gespannt auf Ihre Rückmeldungen. Bleiben Sie experimentierfreudig und neugierig.

Bis in drei Monaten sende ich Ihnen herzliche Grüße

Ihre

Helga Trölenberg-Buchholz